Donnerstag, 11. Mai 2017

Dr. Oetker - Deutschland

Förderung des SOS-Kinderdorfes 
Mönchengladbach, den 11.05.2014
Beata Pokrzeptowicz-Meyer


Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe neulich zwei ihrer Produkte gekauft und beim Öffnen gelesen, dass Sie die Organisation "SOS-Kinderdorf" unterstützen.
Ihre stereotypen Antwortschreiben an empörte und besorgte Mitbürger, haben wir zur Kenntnis genommen.
Die Pädophilen in diesen und ähnlichen Einrichtungen, über die es schon in den Medien berichtet wurde, "leben" diese Partnerschaft mit den SOS-Kinderdörfern auch. 
Sie werden anders als die Kinder protegiert, wenn derartig renommierte deutsche Unternehmen wie das Ihre, ihre blauäugige Unterstützung auch noch auf ihren Produkten weltweit dokumentieren.
Wenn die Jugendämter allmälig das ganze Land international in Verruf bringen, wird ihre Firma eines Tages auch in Mitleidenschaft gezogen.
Ich habe den Eindruck, dass Sie anscheinend nicht ausreichend darüber informiert sind, 1. wen Sie tatsächlich damit unterstützen, 2. welche Folgen für Ihr Unternehmen damit verbunden sein können  und 3. welche Zeichen Sie damit in Deutschland, aber auch in Europa setzen.
Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bielefeld (früher Universität Gdansk/Polen, wo Sie auch eine Dependance haben) und beschäftige mich seit ca 10 Jahren mit der deutschen Behörde "Jugendamt" sowie zwangsläufig auch mit Organisationen, die von Jugendämtern mit Steuergeldern versorgt werden – u.a. die Organisation "SOS-Kinderdorf".
Die Organisation "SOS-Kinderdorf" erweckt den Eindruck, dass sie auf Spenden angewiesen  ist und viel Gutes für Kinder tut, die aus sogenannten Problemfamilien stammen. Im Jugendamtjargon heißt es dann: Kinder werden aus "überforderten" Familien "in Obhut" genommen.
Nach neuesten Erhebungen wurden allein im Jahr 2012 mehr als 40.000 - in Worten vierzigtausend - Kinder aus ihren Familien herausgenommen. Ein europaweiter Rekord! An mutmaßlich überhöhten Unterbringungsabrechnungen bereichert sich anscheinend ein ganzer Industriezweig von Diagnose- und Pflegeeinrichtungen rund um die Jugendämter - fernab jeglicher Kontrolle.
http://youtu.be/LG9pm51vTqE
Ständig wenden sich weitere verzweifelte Eltern mit der Bitte um Hilfe an mich. Es trifft ausländische aber auch sehr viele sozial-schwache deutsche Familien.
Haben Sie sich schon mal gefragt, warum bei sinkender Geburtenrate in Deutschland immer mehr Kinder aus den Familien genommen werden?
Die Zahlen sind z.B. in Mönchengladbach um über 241 % gestiegen (laut Rheinische Post von 9. Januar 2013).
Es verdichten sich Hinweise, dass sich hinter der ständig zunehmenden Zahl von Inobhutnahmen durch deutsche Jugendämter ein gigantischer Steuerbetrug verbirgt.
http://www.aachener-zeitung.de/mobile/lokales/eschweiler/eschweiler-jugendamt-mitarbeiterin-soll-fuenfstellige-summe-unterschlagen-haben-1.672721?redir=checkmobile

Die Kostenexplosion ist so hoch, dass selbst die Rechnungshöfe mutmaßen, dass 2/3 der Kindesherausnahmen nicht gerechtfertigt sind.
Ich möchte mich dazu insofern äußern, dass ich – nach 10-jähriger intensiver Beschäftigung mit dem Thema - nicht die "Überforderung" der Eltern als Ursache dieses unglaublichen Skandals ansehe, sondern das Totalversagen des Familienrechtssystems in Deutschland.
Das deutsche Jugendamt untermindert als unkontrollierte Behörde den Rechtsstaat. Richterliche Entscheidungen werden oft ignoriert oder gar nicht erst abgewartet. Die Justiz tut ein übriges durch Einflussnahme auf Gutachter, die vorgegebene Resultate abliefern sollen.  Mithin Willkür bis hin zu offener Rechtsbeugung.
Dazu kommt, dass Familienrichter oft nicht selbständig entscheiden wollen, sei es aus Faulheit, oder Inkompetenz, sondern den einfachen Weg gehen und blind den Vorgaben der Jugendämter folgen.
Symptomatisch ist auch, dass dieses Problem nie bessergestellte Familien betrifft, sondern gezielt sozial schwache Menschen, also Alleinerziehende, Arbeitslose, Hartz IV- Empfänger, Ausländer, die der deutschen Amtssprache nicht mächtig sind, oder Eltern mit weniger Bildung.
Wegen der fehlenden Kontrolle spreche ich von dem „Systemfehler Jugendamt“. Dazu verweise ich auch auf den Petitionsausschuss des Europa-Parlamentes, wo dieses Thema gegen den massiven Widerstand deutscher Parlamentarier regelmäßig für internationales Aufsehen sorgt. 

Hier der Hinweis auf die Presseerklärung des französischen Vorsitzenden des Petitionsausschusses:
Ich bin, wie viele andere auch, die sich Einblicke verschaffen konnten, entsetzt von dem Ausmaß des Problems und von den kriminellen Machenschaften verantwortungsloser Behördenvertreter, die in einem anscheinend rechtsfreien Raum Steuergelder einsetzen, um damit kooperierende Gutachter, Verfahrens-, Ergänzungspfleger usw. zu versorgen und ihre eigenen Arbeitsplätze zu sichern oder -mutmaßlich- lukrativer zu machen.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/heinz-buschkowsky-die-traeger-bewilligen-sich-das-geld-selbst/4528106.html
     
An dieser Stelle möchte ich jedoch zurück zur Organisation „SOS-Kinderdorf“ - um Ihnen einen konkreten Fall vorzustellen, wo Hilfe DRINGEND angebracht ist.
Es geht um sexuellen Missbrauch zweier Mädchen (Heidi, 7 Jahre alt und Lucy, 5 Jahre alt) im SOS-Kinderdorf Worpswede. Das gleiche JA (der gleiche Vormund, Frau Weber, Jugendamt Osterholz-Scharmbeck) wie bei der 13-jährigen Antonya Schandorff, die aus einem Heim erfolgreich nach Polen geflohen ist. Erfolgreich, weil dadurch ihre Eltern das Sorgerecht zurückbekommen haben.
Die misshandelten Kinder sollten, nachdem die Medien aufgetaucht sind, an die Mutter (zusammen mit dem kompletten Sorgerecht) zurückgegeben werden. Entsprechende Vereinbarung wurde u.a. vom JA, SOS-Kinderdorf und der Kindsmutter (und den Großeltern) unterschrieben.
Nachdem der Medienrummel vorbei war, wollten die Verantwortlichen (das JA und SOS-Kinderdorf) von ihren Zusagen nichts mehr wissen.
Die Misshandlung der Kinder wurde bis heute nicht aufgeklärt.
Darüber hinaus will weder das SOS-Kinderdorf noch das zuständige Jugendamt Osterholz-Scharmbeck der sorgeberechtigten Mutter Auskunft erteilen, wie viel Steuergelder vom Jugendamt für die Fremdunterbringung der beiden misshandelten Kindern an das SOS-Kinderdorf weitergeleitet werden .
Darüber habe ich folgende Dokumentation (mit)erstellt:
Deutschland am Abgrund:
http://youtu.be/h-4Kpc4j4xQ
Osterholz Schandfleck Jugendamt:
http://youtu.be/gKssi5p9etw
SOS im Kinderdorf:
http://youtu.be/6AqZxGXa0vU
Ich habe dazu auch einen Bericht auf POLNISCH erstellt:
Und obwohl das ein deutscher Fall ist, hat ein polnischer Sender großes Interesse gezeigt und unsere Videodokumentation und Warnung vor deutschen Jugendämtern:
(deutsch, englisch, französisch):
https://www.youtube.com/watch?v=6zAR1wWkU4o
übernommen ( SOS im Kinderdorf ):
https://www.youtube.com/watch?v=UUl15mlpXDA

Das ist die soziale Katastrophe in Deutschland.
Eine Katastrophe, die Deutschlands Ansehen im Ausland großen Schaden zufügt, auch wirtschaftlich.
Als internationales Unternehmen tragen auch Sie Verantwortung für diesen Rechtsstaat. Werbemaßnahmen in Verbindung mit den SOS-Kinderdörfern könnten - zumal für exportorientierte Unternehmen - empfindlich zu Buche schlagen, wenn die damit verbundenen Skandale bekannt werden.
Wären Sie bereit, auch Jugendamt-Opfern zu helfen?
Auf Wunsch stelle ich Ihnen alle Dokumente zur Verfügung, die das Versagen der Behörden in diesem Fall belegen.
Ihre Antwort werde ich über das Internet (auch auf Polnisch) publizieren.

Mit freundlichen Grüßen,
Beata Pokrzeptowicz-Meyer
Tłumacz Przysięgły j. niemieckiego / Vereidigte Dolmetscherin Und Übersetzerin
Lektorka j. polskiego/ Lektorin für Polnisch
Koordynatorka ds. języków słowiańskich/ Koordinatorin für slawische Sprachen
Bielefeld/ Niemcy
priv./ pryw.
Beata Pokrzeptowicz-Meyer
41061 Mönchengladbach/ Niemcy

Donnerstag, 6. April 2017

Unüberwindbare Missstände im Familienrechtssystem - Narzissmus

Dynamik in Umgangsverfahren und Verfahren zur elterlichen Sorge mit einem narzisstischen Elternteil

Eine Ehe oder eine Partnerschaft mit einem narzisstisch gestörten Menschen ist für den Partner/die Partnerin (zur besseren Lesbarkeit nachfolgend nur 'Partner' bzw. 'Ex-Partner') und die Familie in der Regel konfliktbelastet und zermürbend, auch wenn das vom Partner manchmal lange nicht wahrgenommen oder verdrängt wird.

Kommt es zur Trennung, bekommen diese Schwierigkeiten häufig noch einmal eine andere Qualität. „In Freundschaft“ oder wenigstens respektvoll Auseinandergehen ist so gut wie unmöglich. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass eine konfliktreiche und ungesunde Beziehung in der Trennung plötzlich vernünftig oder sogar harmonisch abläuft. Im Gegenteil.

Besonders heikel wird es, wenn aus der Verbindung Kinder hervorgegangen sind. In der Regel werden gemeinsame Kinder vom narzisstisch Kranken instrumentalisiert, um weiterhin Macht und Kontrolle über den Ex-Partner auszuüben und um ihn zu schwächen oder sogar zu vernichten.

In den meisten Fällen droht der narzisstisch Kranke dem Partner häufig schon vor der Trennung, spätestens aber im Verlauf der Trennung sinngemäß „Ich mach’ dich fertig, ich nehme dir die Kinder weg“. Sobald die Trennung tatsächlich vollzogen ist und der narzisstisch Kranke realisiert, dass der Ex-Partner nicht mehr zur Verfügung steht, schlägt es nicht selten in Krieg um, dem sich der Ex-Partner wegen der gemeinsamen Kinder nicht entziehen kann.


Der Narzisst startet einen kriegerischen Feldzug

Es spielt dabei keine Rolle, von wem die Trennung vollzogen wurde. Selbst wenn der narzisstisch Kranke sich getrennt hat, zum Beispiel um sich einem anderen Partner zuzuwenden, gibt es einen Punkt, an dem er realisiert, dass der Ex-Partner aus dem narzisstischen System ausgestiegen ist, ihm also nicht mehr zur Verfügung steht, so wie er es aus früheren Zeiten gewohnt war. Das kann die Forderung nach dem Schlüssel für die ehemals gemeinsame Wohnung sein. Das kann die Unterhaltsklage sein, weil er unregelmäßig oder keinen Unterhalt zahlt. Manchmal ist es einfach nur der Brief vom Jugendamt, an das sich der Ex-Partner hilfesuchend gewandt hat, um ihn zu einem gemeinsamen Gespräch über die Kinder einzuladen. Irgendetwas, wozu er ‚aufgefordert’ wird oder was dazu geeignet ist, sein Selbstbild in Frage zu stellen, und sei es noch so selbstverständlich, kann beim narzisstisch Kranken den Schalter umlegen - und dann herrscht Krieg.
Der Partner, der um die narzisstische Störung des anderen weiß – meist, weil es bereits während der Partnerschaft psychische und nicht selten auch körperliche Gewalt gab – ist sich in der Regel bewusst, dass er sich und die Kinder maximal vor dem narzisstisch Kranken schützen muss, wenn es zur Trennung kommt. Häufig dauert es deshalb viele Jahre, bis er den Mut findet, diesen Schritt zu gehen, weil ihm klar ist oder zumindest weil er ahnt, dass er nach einer Trennung mit aggressivem und unvorhersehbaren Verhalten des narzisstisch Kranken zu rechnen hat.

Nicht selten aber realisiert der Ex-Partner erst während der Trennungszeit – wenn es überhaupt eine gibt – und manchmal auch erst längere Zeit nach der Trennung, zu welchem drastischen Verhaltenswandel der narzisstisch Kranke fähig ist, wenn ihm Kontrollverlust droht, weil der Ex-Partner sich seinem Einfluss entzieht. Oftmals steht dieser fassungslos und hilflos einem völlig veränderten Verhalten des narzisstisch Kranken gegenüber und kann diese krasse Veränderung nicht einordnen. Oft fühlt er sich dafür verantwortlich; mindestens will er einen Teil der Schuld für die Eskalation bei sich selbst erkennen. Er empfindet es wie einen ‚Wandel um 180 Grad’.

Tatsächlich aber haben die Verhaltensweisen, die mit einer narzisstischen Störung einhergehen, schon lange die Beziehung belastet, was – bei entsprechender Beratung – in der Regel auch relativ schnell retrospektiv vom Ex-Partner erkannt wird. Diese Irritation und das ‚Erwachen’ fallen in diesem Fall also genau in die sowieso schon emotional belastete Zeit der Trennung. Bevor der Ex-Partner realisiert, in welcher Situation er sich mit dem narzisstisch Kranken tatsächlich befindet, sich fängt und sich dazu positionieren kann, um sich und die Kinder zu schützen, dreht der narzisstisch Kranke nicht selten zu Bestform auf, wenn es zu familienrechtlichen Verfahren kommt.

Trennungskriminalität und verschiedene Formen von Gewalt sind dabei die Regel. Hemmungsloses Lügen, massive Verleumdung und falsche eidesstattliche Versicherungen, sollen den Ausgang der familienrechtlichen Verfahren direkt manipulieren. Psychische, körperliche und finanzielle Gewalt bewirken, dass der Ex-Partner weiter geschwächt und letztlich nicht selten psychisch anfällig wird, vor allem, wenn dieser Krieg über die Kinder ausgetragen und über einen längeren Zeitraum geführt wird. Diese psychische Destabilisierung wirkt indirekt auf die gerichtlichen Verfahren.


Die Eltern sollen zum Wohle der Kinder kooperieren 

 Anstatt den Ex-Partner und die Kinder vor den zerstörerischen Machenschaften des narzisstisch Kranken zu schützen, erwartet das Familienrechtssystem, also Familiengericht und die weiteren Verfahrensbeteiligten, von Eltern - unabhängig von Vorgeschichte und Gegebenheiten - kooperative Elternschaft, häufig sogar bei Gewalthintergrund.
Hinweise vom Ex-Partner auf das schädigende Verhalten und die umfangreichen Manipulationen des narzisstisch Kranken, auch unter sachlicher Benennung von belegbaren Fakten, konkreten Erlebnissen und qualifizierten Berichten Dritter, werden in der Regel vom Familienrechtssystem bestenfalls ignoriert. In den meisten Fällen aber kommt es sogar zu einer regelrechten Umkehrung in der Bewertung: Das ‚Opfer’ des narzisstischen Systems wird von Familiengericht und den Verfahrensbeteiligten zum ‚Täter’ erklärt, weil er durch seine (berechtigten) Vorwürfe gegenüber dem narzisstisch kranken Elternteil schnell als derjenige identifiziert wird, der eine kooperative Elternschaft verweigert.

Nahezu jeder Versuch, sich vor den Angriffen des narzisstisch Kranken zu schützen, wird als Unfähigkeit bewertet, die Paarebene von der Elternebene zu trennen, was aber von den Fachkräften erwartet wird.

Dem Ex-Partner wird vorgeworfen, durch seine (meist emotional vorgetragenen) Bedenken, Vorbehalte und Vorwürfe gegenüber dem narzisstischen Elternteil eine bindungsintolerante Haltung zu zeigen und damit per se das Kindeswohl zu beschädigen, ungeachtet aller Fakten, die zu dem distanzierten Verhältnis geführt haben. „Zum Streiten gehören immer zwei“, diesen Satz hören viele Ex-Partner, die sich hilfesuchend an die Fachkräfte der Jugendämter und Beratungsstellen wenden.

Eine solche Aussage ist nicht nur falsch und verhöhnt die ‚Opfer’ von narzisstisch Kranken; sie trägt auch dazu bei, dass sich der ExPartner, der sich gerade aus einer narzisstischen Beziehung - also einer Gewaltbeziehung - befreit, wieder in sein altes Muster gedrängt wird, was nicht selten traumatische Qualität hat: Er erfährt von den Beratungsstellen keine erhoffte und dringend notwendige Unterstützung, sondern findet sich stattdessen in der Rechtfertigungsposition wieder und erlebt wie bereits in der Beziehung, dass er nicht wirkungsvoll agieren kann.
Im Ergebnis wird der narzisstisch Kranke als kooperativ eingeschätzt, wohingegen der Ex-Partner als derjenige benannt wird, der boykottiert und damit das Kindeswohl beschädigt.


Die narzisstischen Strukturen werden nicht erkannt 

Die narzisstischen Strukturen bleiben, oftmals trotz psychologischer Qualifikation der Fachkräfte, meist ungesehen oder, falls sie gesehen werden, unbeachtet bei der weiteren Bewertung der Situation. Nicht selten schafft es der narzisstisch Kranke, der über ein umfangreiches Repertoire an manipulativen Verhaltensweisen verfügt, die Verfahrensbeteiligten für sich zu gewinnen, die sich dann häufig schützend vor den narzisstisch Kranken stellen und - stellvertretend für ihn - den anderen Elternteil angreifen.

Fachkräfte aus Psychologie, Soziologie und Pädagogik glauben, das Kind vor seiner eigenen Hauptbezugsperson schützen zu müssen, weil sie sich zum einen - oftmals in selbstüberschätzender Weise kraft ihres Amtes und kraft ihrer Ausbildung - generell als Experten für Kinder empfinden, egal ob sie einige Stunden, wenige Minuten oder gar nicht mit dem betroffenen Kind verbracht haben; zum anderen, weil sie das narzisstische System nicht durchschauen und nicht bemerken, dass der narzisstisch Kranke sie für seine Zwecke missbraucht und sie in den Stellvertreterkampf mit dem anderen Elternteil eintreten.

Der tatsächliche Experte für das Kind, nämlich in der Regel die Hauptbezugsperson bzw. die Hauptbezugspersonen (zum Beispiel der neue Partner), wird bzw. werden dagegen nicht ernst genommen.
Als Rechtfertigung dient den Verfahrensbeteiligten stets das Kindeswohl, und zwar in einer Definition, die nichts mit Kindeswohl zu tun hat, wie es der nicht narzisstische Elternteil – und vermutlich der Großteil der Gesellschaft - für sein Kind definiert.


Unüberwindbare Missstände im Familienrechtssystem 

Neben häufig anzutreffender mangelnder Qualifikation oder fehlender persönlicher Reife der Verfahrensbeteiligten, kommen erschwerend strukturelle Missstände im Familienrechtssystem hinzu.

Jugendämter sind zum Beispiel chronisch arbeitsüberlastet. Selbst wenn ein engagierter Jugendamtsmitarbeiter ahnt, dass hinter dem fürsorglichen Schein, den der narzisstisch Kranke zu wahren versucht, tatsächlich psychische Gewalt gegen Ex-Partner und Kinder steht, wird er kaum die Zeit investieren können, das narzisstische System weiter zu untersuchen, um einen qualifizierten Bericht für das Gericht erstellen zu können.
Bei Verfahrensbeistand und Gutachter wirken ebenfalls strukturelle Missstände, mit denen der Ex-Partner konfrontiert ist: Beide, Beistand und Gutachter, werden vom Richter beauftragt und verfolgen somit ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Nicht selten wird ein Richter die Verfahrensbeteiligten beauftragen, mit denen er bereits ‚gute Erfahrungen’ gemacht hat.
Hierin liegt generell die Gefahr, dass der Auftragnehmer, also Beistand oder Gutachter, die bekannte oder vermutete Position eines Richters vertritt, um auch weiterhin Aufträge von ihm zu erhalten, auch wenn sie nach seiner Fachmeinung nicht dem Kindeswohl dient.
Umgekehrt wird ein Richter als Jurist, der sich auf die Aussagen der psychologisch geschulten Fachkräfte verlässt, kaum zu einer anderen Einschätzung kommen, als von den Fachprofessionen vorgetragen wird.
 Reflexionsfähigkeit im Familienrechtssystem ist nur insoweit gegeben, als der einzelne Verfahrensbeteiligte dazu persönlich in der Lage ist.
In der Regel aber steht die Funktion vor dem Menschen, der diese Funktion ausfüllt, also das Gericht, das Jugendamt oder der Verfahrensbeistand und schützt die einzelne Person bei fachlicher Fehleinschätzung und bei persönlichem Fehlverhalten.

Wirkungsvolle rechtsstaatliche Beschwerdemöglichkeiten gibt es so gut wie nicht. Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerden, Befangenheitsanträge oder Petitionen bleiben fast immer erfolglos.

Es tritt also keine Verbesserung der Situation ein, sondern das Gegenteil ist meistens der Fall: Der beschuldigte Verfahrensbeteiligte wird nach abgewiesenem Befangenheitsantrag - bewusst oder unbewusst - kaum mehr eine neutrale Position gegenüber dem Petenten vertreten, was wiederum zur Schwächung seiner Situation im Verfahren beiträgt.


Wie sollte sich die Hauptbezugsperson des Kindes im Verfahrens verhalten? 

 Da jeder Verfahrensbeteiligte im Familienrechtssystem mehr Einfluss auf den Ausgang des familienrechtlichen Verfahrens hat als die Hauptbezugperson(en) des Kindes, deren berechtigtes Anliegen es ist, das Kind und sich vor dem narzisstisch Kranken zu schützen, ist es grundsätzlich nicht ratsam, gegen diese zu agieren, auch wenn sie in ihrer Einschätzung falsch liegen oder sogar erkennbar den narzisstisch Kranken unterstützen.


Der weitaus erfolgreichere Weg ist es, aus strategischen Gründen mit den Verfahrensbeteiligten zu kooperieren, um die bestmögliche Lösung unter den Gegebenheiten zu erwirken. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass kaum die beste Lösung für Kind und Ex-Partner zu erreichen ist.

Um die bestmögliche Lösung unter den Gegebenheiten zu erreichen, sind folgende Schritte notwendig:

- Erkennen, was möglich ist.
- Akzeptieren, was nicht änderbar ist
- Sich selbst stärken
- Strategisch positionieren
- Handlungsmöglichkeiten erweitern, zum Beispiel durch Kommunikationstechniken

Auf keinen Fall ist es ratsam, unvorbereitet in Gespräche und in gerichtliche Verfahren zu gehen, in gutem Glauben, dass es sich um versierte, verantwortungsbewusste Fachkräfte handelt, die das narzisstische System erkennen und den Ex-Partner und die Kinder vor dem narzisstisch Kranken schützen werden.

Je früher sich der Ex-Partner vorbereitet, um so eher können Fehler vermieden werden, die aus falschen Vorstellungen über die Aufgaben und die Wirksamkeit des Familienrechtssystems entstehen.

Am besten noch vor der Trennung.


Barbara Thieme (barbarathieme.blogspot.de) 20.02.2017


Dienstag, 21. März 2017

Wenn Obdachlosigkeit droht!

Wiedereinweisung
Im Mietrecht :

Gelingt es der Obdachlosenbehörde nicht, dem Räumungspflichtigen, dem Obdachlosigkeit droht, geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, kann die Obdachlosenbehörde den räumungspflichtigen Mieter in seine bisherige Wohnung wieder einweisen.
Erlässt die Behörde eine sogenannte Wiedereinweisungsverfügung, hat sie dabei die sachlichen und örtlichen Belange des Vermieters zu berücksichtigen.

Die Obdachlosenbehörde (Amt für öffentliche Ordnung) darf nicht willkürlich handeln. Die Wiedereinweisungsverfügung muss zeitlich begrenzt sein.

Die Höchstdauer einer Wiedereinweisung des Räumungspflichtigen in seine bisherige Wohnung wird von den Gerichten auf vier bis sechs Monate limitiert.

Diese Höchstfrist von sechs Monaten darfauch nicht durch ständige Wiederholungen kurzfristiger Einweisungsverfügungen überschritten werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Behörde gezwungen, den Wiedereingewiesenen in einer gemeindeeigenen Obdachlosenunterkunft unterzubringen.

Hat die zuständige Gemeinde eine Wiedereinsetzungsverfügung erlassen, kann der Vermie- ter das Räumungsurteil nicht mehr durch den Gerichtsvollzieher vollstrecken lassen. Nach Ablauf der Beschlagnahme kann der Vermieter unverzüglich die Zwangsräumung durchführen lassen.

Für die Dauer der Einweisung hat der Vermieter gegen die einweisende Behörde einen Anspruch auf Entschädigung seiner Vermögensnachteile. Die Behörde ist dann verpflichtet, eine Nutzungsentschädigung für die Wohnung in ortsüblicher Höhe zu bezahlen. Der Vermieter selbst hat keinen Zahlungsanspruch gegen den früheren Mieter.

Gegen eine Wiedereinweisungsverfügung kann der Vermieter das Rechtsmittel des Widerspruchs (Frist: ein Monat) einlegen.

Sonntag, 26. Februar 2017

Sorgerechtsentzug: Defizite der Eltern nicht maßgeblich!

Ein Verfassungsgerichtsurteil weist jetzt mit Nachdruck darauf hin: Dieser besonders heftige Eingriff in das Elterngrundrecht ist nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Elterliche Defizite machen alleine noch lange keinen Grund aus.


Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung


Um die Kernaussage des BVerfG vorweg zu nehmen: Für einen Sorgerechtsentzug reicht es nicht aus, lediglich die Defizite der Eltern zu benennen – so gravierend diese auch sein mögen. Vielmehr muss gründlich dargelegt werden, dass das elterliche Fehlverhalten zu einer nachhaltigen Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls geführt hat bzw. mit ziemlicher Sicherheit führen wird.
Ein Gericht muss detailliert aufzeigen, welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren.
Lesen Sie im folgenden die Einzelheiten zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.11.2014 (1 BvR 1178/14).

Der Fall: Vater wehrt sich gegen Entzug des Sorgerechts

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass die elterliche Sorge für sein im Februar 2013 geborenes Kind ihm – wie auch der Mutter – entzogen und auf das Jugendamt übertragen wurde.
Er stammt aus Afrika und lebt, inzwischen geduldet, in Deutschland. Die Mutter leidet an gravierenden psychischen Erkrankungen und wurde in den Monaten vor der Entbindung in einem Mutter-Kind-Heim betreut.
Der Beschwerdeführer und die Mutter trennten sich noch während der Schwangerschaft. Im Oktober 2012 gaben sie vorgeburtlich eine Vaterschaftsanerkennung und eine gemeinsame Sorgeerklärung ab.

Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz bezüglich des Sorgerechts

Unter Verweis auf die psychische Situation der Mutter und die intransparente Wohn- und Lebenssituation des Beschwerdeführers entzog das AG auf Anregung des Jugendamts beiden Eltern kurz vor der Geburt im Wege einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger.

Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren

Sofort nach seiner Geburt wurde das Kind in einer Pflegefamilie untergebracht, in der es seitdem lebt. Im Mai 2013 traf das AG eine Umgangsregelung, wonach begleitete Kontakte stattfanden. Im April 2014 wurde die Bereitschaftspflege des Kindes in eine Dauerpflege in derselben Familie umgewandelt.
Im verfahrensgegenständlichen Hauptsacheverfahren beantragte der Beschwerdeführer, ihm das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Das AG gab ein Sachverständigengutachten dazu in Auftrag, ob die Eltern in der Lage seien, das körperliche, geistige und seelische Kindeswohl sicherzustellen, und somit erziehungsfähig seien.
Die Sachverständige hielt die Mutter für krankheitsbedingt erziehungsunfähig und den Beschwerdeführer für nur teilweise erziehungsfähig. Sie empfahl, das Kind weiterhin in einer Pflegefamilie unterzubringen

Entscheidungen im Hauptsacheverfahren

Nach mündlicher Verhandlung entzog das AG beiden Eltern die gesamte elterliche Sorge und bestellte das Jugendamt zum Vormund, weil das Kindeswohl gefährdet sei. Dem seiner Ansicht nach schlüssigen, nachvollziehbaren und uneingeschränkt verwertbaren Gutachten schloss sich das AG vollumfänglich an.
Dem Beschwerdeführer fehle es an Kernkompetenzen in der Kindererziehung. Bei ihm liege eine erhebliche Bindungsintoleranz gegenüber der Mutter vor. Seine ungewisse wirtschaftliche und räumliche Situation würden eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Seine Einstellung zum deutschen Rechts- und Wertesystem sei problematisch. Er ziehe afrikanische Erziehungsmethoden vor und distanziere sich nicht von der selbst erlebten, teilweise gewalttätigen Erziehung.

Als verletzt gerügte Grundrechte

Dagegen legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein, die das OLG zurückwies. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG.

Elternrecht verletzt

Das BVerfG gibt der Verfassungsbeschwerde statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts des Beschwerdeführers angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchst. b) BVerfGG. Diese Entscheidung kann es treffen, weil es die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

Schutzbereich des Elterngrundrechts

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann.
Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar, der nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt ist, Art. 6 Abs. 3 GG. Das ist nur dann der Fall, wenn die Eltern versagen oder das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigen den Staat einzugreifen.

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs in das Elterngrundrecht

Nicht zur Ausübung des Wächteramts gehört es, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (BVerfG, Beschl. v. 17.02.1982 – 1 BvR 188/80, DRsp-Nr. 1994/2637).
Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG, Beschl. v. 29.01.2010 – 1 BvR 374/09, DRsp-Nr. 2010/3999 und Beschl. v. 28.02.2012 – 1 BvR 3116/11, DRsp-Nr. 2012/10833).

Umfang der verfassungsgerichtlichen Überprüfung

Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, die sich wegen des besonderen Eingriffsgewichts auch auf einzelne Auslegungsfehler und deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken kann (BVerfG, Beschl. v. 24.06.2014 – 1 BvR 2926/13, DRsp-Nr. 2014/12258).

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs

Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs nicht. Die Annahme, es bestehe eine die Trennung des Kindes vom Beschwerdeführer legitimierende Kindeswohlgefahr, erweist sich als verfassungsrechtlich nicht haltbar.
Gemessen an der enormen Tragweite der Entscheidung für Kind und Vater – auch im Vergleich zu sonstigen, i.d.R. besonders ausführlichen familiengerichtlichen Entscheidungen zu ähnlichen Sachverhalten – sind die Ausführungen zur Begründung einer Kindeswohlgefährdung durch den Beschwerdeführer sehr knapp gehalten.

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beweiswürdigung

Beide Gerichte stützen sich maßgeblich auf die Feststellungen im Sachverständigengutachten, dessen Verwertbarkeit hier jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt. Das schlägt auf die angegriffenen Entscheidungen durch, weil die von der Gutachterin getroffenen Feststellungen im Wesentlichen übernommen und allenfalls ansatzweise eigenständig tatsächlich eingeordnet und rechtlicher Würdigung unterzogen werden.

Zweifel an der Verwertbarkeit des Sachverständigengutachtens

Beide Entscheidungen stützen die Annahme einer Kindeswohlgefahr maßgeblich auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Sachverständigen, an deren Verwertbarkeit jedoch Zweifel bestehen, weil die zugrunde liegenden Fragestellungen die zu ermittelnden Umstände nicht klären können und die Sachverständige dem Beschwerdeführer möglicherweise nicht mit der gebotenen Neutralität begegnet ist.

Keine nachvollziehbaren Ausführungen zur Kindeswohlgefährdung

Die Entscheidungen würden selbst bei völliger Unverwertbarkeit der sachverständigen Begutachtung der verfassungsrechtlichen Kontrolle standhalten, wenn sich das Vorliegen einer die Trennung von Kind und Vater rechtfertigenden Kindeswohlgefährdung aus den Entscheidungsgründen auch ohne Einbeziehung der sachverständigen Aussagen hinreichend nachvollziehbar ergäbe. Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gefahrenfeststellung

Die angegriffenen Entscheidungen verfehlen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenfeststellung auch deshalb, weil sie zwar auf mögliche Defizite an der Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingehen, ohne dass sich daraus aber ergibt, welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren.

Sorgfältige Prüfung und Bewertung der Gefahren durch die Fachgerichte geboten

Die Fachgerichte haben die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten.
Dem werden sie i.d.R. nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenken, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Kinder darzulegen (BVerfG, Beschl. v. 14.06.2014 – 1 BvR 725/14 und Beschl. v. 22.05.2014 – 1 BvR 3190/13, DRsp-Nr. 2014/15327).
Beide Entscheidungen benennen sehr knapp lediglich angebliche Defizite an der Lebenssituation, dem Verhalten und den Einstellungen des Beschwerdeführers. Nachteilige Auswirkungen auf das Kind werden nicht erläutert.

Annahmen keine tragfähige Grundlage für die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung

Dass eine die Fremdunterbringung verfassungsrechtlich rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls in der Sache vorläge, ist auch nicht indirekt durch die in den Entscheidungen oder dem Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen belegt. Keine der vier den Entscheidungen zugrunde liegenden Annahmen bildet eine tragfähige Grundlage für die Feststellung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung.

Tatsächliche Verletzung (zumindest) des Elterngrundrechts

Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den Verstößen gegen das Elterngrundrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fachgerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und ausreichender Ermittlung des Sachverhalts eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers getroffen hätten.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BVerfG stellt fest, dass ein Sachverständigengutachten zur Durchleuchtung eines Einzelfalls aus der entsprechenden Gutachtersicht durchaus angebracht ist, weist aber entscheidend auch darauf hin, dass sich die Fachgerichte mit den Inhalten und Schlussfolgerungen eines Gutachtens kritisch auseinandersetzen müssen.
Die Fachgerichte dürfen die Ausführungen nicht allgemein übertragen, sondern müssen sich vielmehr gerade bei einer Entziehung des Sorgerechts und einer Trennung des Kindes von seinen Eltern gewissenhaft mit zahlreichen fallbezogenen Einzelkriterien auseinandersetzen.

Prüfungsmaßstab der Fachgerichte

Gerade bei einem so starken Eingriff in das Elterngrundrecht müssen die Fachgerichte prüfen, ob das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Das setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

Beweiswürdigung durch die Fachgerichte

Insbesondere wenn ein Gutachten problematische Punkte aufweist, müssen die Fachgerichte sich gezielt mit diesen auseinandersetzen und die Feststellungen eigenständig auf deren rechtliche Relevanz auswerten. Demnach reicht es nicht aus, lediglich die Defizite der Eltern zu benennen.
Vielmehr muss nachvollziehbar erläutert werden, welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren.
Zudem steigen die Prüfungs- und Darlegungsanforderungen, je weniger deutlich die (mutmaßlichen) Lebens- und Erziehungsbedingungen eines Kindes an die Schwelle heranreichen, von der an der Staat im Rahmen seines Wächteramts zu Korrekturen verpflichtet und berechtigt ist.



Mittwoch, 1. Februar 2017

Schutzschrift - Inobhutnahme

Reicht sofort eine Schutzschrift beim Amtsgericht ein, wenn das Jugendamt euer Kind in Obhut genommen hat. Unterschreibt auf keinen Fall Schriftstücke, die euch von den JugendamtsmitarbeiterIn vorgehalten werden. Auch nicht wenn man auch droht, dass ihr euer Kind sonst nie wieder seht.
Und sofort Klage auf Herausgabe beim Amtsgericht einreichen.
Und sofort einen Umgangsantrag einreichen.
2. Schutzschrift an das zuständige Familiengericht
Ist das Kind oder der Jugendliche bereits in Obhut genommen, muss von Anwaltsseite unverzüglich
gehandelt werden. Hat das Jugendamt seinen notwendigen Antrag noch nicht bei Gericht
eingereicht, wie in den beiden vorgenannten Fällen, empfiehlt sich eine sofortige Schutzschrift an
das Familiengericht, verbunden mit dem Antrag, über einen zu erwartenden Antrag des Jugendamts,
der selbstverständlich im Einzelnen dargestellt werden muss, nicht ohne mündliche Anhörung zu
entscheiden. Auf diese Weise wird dem Familiengericht der Sachverhalt sofort nach der
Inobhutnahme bekannt und das Gericht hat bereits Kenntnis von der Angelegenheit, wenn denn der
Antrag des Jugendamts eingeht. Das Familiengericht wird bei Vorliegen einer Schutzschrift kaum
ohne mündliche Verhandlung entscheiden und schon gar nicht, wie in dem zweiten oben
beschriebenen Fall, ohne jegliche Anhörung der Beteiligten. Sorgfältige Gerichte werden derartige
Schutzschriften, die den Sachverhalt selbstverständlich ausführlich schildern müssen, genau lesen
und wenn nötig, das zuständige Jugendamt sofort um Bericht bitten, spätestens dann, wenn der
Antrag des Jugendamts eingeht.
In der Schutzschrift kann bereits beantragt werden, den zu erwartenden Antrag auf Entzug oder
Teilentzug der elterlichen Sorge oder einen eventuellen Antrag auf Entzug des
Aufenthaltsbestimmungsrechtes zurückzuweisen. Zu diesem Zweck sollten unverzüglich Beweismittel
beigebracht werden, z. B. über das Befinden der Kinder vor der Inobhutnahme, über die Verfassung
der Kinder, deren Wünsche und Notwendigkeiten, deren soziales Umfeld, darüber hinaus sollten
Beweise angeboten werden über die Qualität der Beziehung zwischen dem betroffenen Elternteil und
den Kindern und über das den Eltern vorgeworfene Verhalten und schließlich sollten auch
Ausführungen gemacht werden zu eventuellen milderen Maßnahmen i. S. von § 1666 a BGB, also im
Rahmen der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung. So könnten z. B., falls das Gericht es für
notwendig hält, Auflagen angeboten werden i. S. von § 1666 BGB.
3. Umgangsregelung
Auf jeden Fall sollte die anwaltliche Beratung darauf gerichtet sein, die Inobhutnahme der Kinder und
Jugendlichen so rasch wie möglich zu beenden, um insbesondere bei kleinen Kindern die fast
zwangsläufige Entfremdung zwischen Eltern und Kind zu vermeiden. Verhindert das in Obhut
nehmende Jugendamt den Kontakt zwischen Eltern und Kindern, sollte sofort beim zuständigen
Familiengericht ein Umgangsbeschluss beantragt werden mit dem Ziel, einen unbegleiteten und
unbeaufsichtigten Kontakt zwischen Eltern und Kindern unverzüglich herzustellen oder wieder
herzustellen. Bisweilen vertreten die betroffenen Jugendämter die Ansicht, wenn das
Aufenthaltsbestimmungsrecht erst einmal auf einen Pfleger übertragen sei, könne und müsse nur der
über den Umgang bestimmen. Und wenn dieser den Umgang quasi ausschließe, sei das hinzunehmen.

Diese Rechtsansicht ist falsch. Nach dem Entzug bzw. der Beschränkung der elterlichen Sorge
besteht die Pflicht und das Recht der Eltern zum Umgang mit ihrem Kind unverändert fort.
Einschränkung und Entzug des Umgangsrechts bedürfen deshalb einer eigenständigen Entscheidung
des Familiengerichts auf der Grundlage von § 1684 BGB .
Die Autorin ist Senatorin für Justiz a. D. in Hamburg und Berlin, war zuvor Vorsitzende eines
Familiensenats am OLG Hamburg und ist Rechtsanwältin in Berlin.13.12.2016 FPR 2012, 443 - beck-online

Mittwoch, 18. Januar 2017

Umgangspflegschaft

Die Umgangspflegschaft ist eine Form der Ergänzungspflegschaft und seit dem Inkrafttreten des FGG RG am 01.09.2009 hinsichtlich des Umgangs zwischen Eltern und Kind in § 1684 Abs. II BGB spezialgesetzlich geregelt. Aber auch in den Jahren zuvor war die Bestellung bereits möglich und üblich.
Die Bestellung erfolgte nach den allgemeinen Regeln für die Ergänzungspflegschaft (§§ 1626, 1796, 1909 BGB).

Wie für alle Teilbereiche der elterlichen Sorge (Aufenthaltsbestimmung, medizinische Versorgung, Schule/Ausbildung, etc.) eine Pflegschaft bestellt werden kann, nachdem diese den Sorgeberechtigten entzogen wurde, kann auch der Bereich Umsetzung einer Umgangsregelung auf einen Pfleger übertragen werden. Voraussetzung war allerdings nach altem Recht wie bei jedem (Teil-)Entzug der elterlichen Sorge der Nachweis einer Kindeswohlgefährdung im Sinne von §1666 BGB wegen des fehlenden Umgangs mit dem getrennt lebenden Elternteil. In der Praxis wurden allerdings auch Pflegschaften eingerichtet, wenn beide Eltern dies wünschten oder dem zustimmten. Der Wirkungskreis der Umgangspflegschaft umfasst die Förderung des Umgangs zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil/der Bezugsperson bzw. die Umsetzung einer gerichtlichen Umgangsregelung oder einer entsprechenden Vereinbarung der Eltern.

1. Rechtliche Einordnung
1.1 Voraussetzungen der Bestellung
Die Anordnung erfolgt regelmäßig im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens wegen Regelung des Umgangs gem. §1684 bzw. §1685 BGB. Durch das FGG-Reformgesetz (FGG-RG) wurde die Umgangspflegschaft in § 1684 III BGB im Verhältnis Eltern - Kind spezialgesetzlich geregelt: Wird die Pflicht nach Abs. II dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt oder droht eine solche Verletzung, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft).

Der Nachweis einer Gefahr für das Kindeswohl im Sinne des §1666 BGB ist für die Bestellung nicht mehr erforderlich, sofern es um den Umgang des Kindes mit seinen Eltern geht, sehr wohl aber nach wie vor, wenn es um den Umgang mit sonstigen Bezugspersonen i. S. v. § 1685 BGB geht. Hier wird eine Klausel in Abs. III angefügt, welche die Kindeswohlgefährdung für die Bestellung in diesen Fällen voraussetzt. Abgesehen von den materiellen Tatbestandsvoraussetzungen sind die Verfahrensvoraussetzungen zu beachten: Das Gericht hat die Beteiligten zu der geplanten Maßnahme (Umgangspflegschaft) anzuhören gem. §§ 159, 160 FamFG. Es hat ggf. einen Verfahrensbeistand gem. § 158 Abs. 2 Zi. 5 FamFG zu bestellen.

Es hat gem. §1684 Abs. 4 BGB sorgfältig zu prüfen, ob eine Umgangseinschränkung oder ein Ausschluss gem. § 1684 Abs, IV aus Gründen des Kindeswohls geboten ist. Mit der schwierigen Situation wenn das Kind den Umgang ablehnt hat sich unter anderen eine Arbeitsgruppe im Rahmen des 18. Deutschen Familiengerichtstags beschäftigt und hierzu deutliche Empfehlungen ausgesprochen: Wenn das Kind den Umgang verbal ablehnt, ist diese Weigerung zu überprüfen.

Steht fest, dass das Kind erhebliche Gewalt durch den Umgang suchenden Elternteil erlebt hat -> kein Umgang auch nicht begleitet Sofern dies nicht der Fall ist -> Überprüfung, ob der geäußerte Wille psychologisch nachvollziehbar ist.
Wenn der betreuende Elternteil sein Kind gegen den Anderen beeinflusst -> Androhung von Sorgerechtsentzug (Auszug aus den Empfehlungen der AG 12 „Grenzen von Umgangsrecht und Umgangspflicht” im Rahmen des 18. Deutschen Familiengerichtstags 16.-19.9.2009, veröffentlicht auf der Website des DFGT)

Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ein Sorgerechtsentzug nur unter der Voraussetzung der nachgewiesenen Kindeswohlgefährdung in Betracht kommt. Zu der Frage, wann die Weigerung psychologisch nachvollziehbar ist, wird in der Regel die Einholung eines SV-Gutachtens erforderlich sein. Sicher ist hierbei unter anderem an die Fälle zu denken, in welchen ein Umgang suchender Elternteil sich dem Kind gegenüber derart unangemessen verhält, dass die Vermutung einer psychischen Störung bei ihm nahe liegt. Aber auch Situationen, in welchen der Konflikt zwischen den Eltern anlässlich des Umgangs immer wieder aufflammt oder parallel immer weiter eskaliert, können den Umgang für das Kind unzumutbar machen. Das Gericht hat ferner vor der Anordnung einer Umgangspflegschaft eine Umgangsregelung zu treffen, sofern es zu keiner entsprechenden Vereinbarung der Eltern gekommen ist. Wie detailliert diese zu sein hat, ist streitig.
Die obergerichtliche Rechtsprechung fordert eine genaue Festlegung auch der Termine und Modalitäten, da ansonsten richterliche Aufgaben delegiert würden (z.B. OLG München, 26. Senat, Beschl. v. 27.03.07 Az.: 26 UF 819/07).

Eine entgegengesetzte und weite Auffassung ist in der Literatur zu finden. Nach dieser hat der Umgangspfleger das „Umgangsbestimmungsrecht" der Eltern übertragen bekommen und damit die gleiche Gestaltungsfreiheit wie zuvor die Eltern.
(S. Willutzki, „Die Umgangspflegschaft“, ZKJ 7, 2009, 281ff, 282).
Gem. § 1684 Abs. 3 S. 5 BGB ist die Umgangspflegschaft zu befristen.

1.2. Gesetzliche Befugnisse
Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1684 Abs. 3 S. 4 BGB).
Das Recht der Eltern ist in soweit gem. §1630 BGB eingeschränkt. Zwangsmittel stehen dem Umgangspfleger jedoch nicht zur Verfügung; Ordnungsmittel oder unmittelbarer Zwang können nur durch das Gericht angeordnet werden (nicht gegen das Kind). Ein gewisser Druck ist nur durch seine Anwesenheit und im Zusammenwirken mit dem Gericht möglich (Berichtspflicht).

2. Aufgabenspektrum
Von den gesetzlichen Befugnissen sind die Aufgaben zu unterscheiden, die dem Umgangspfleger nach den Erfahrungen in der Koordinierungsstelle je nach Einzelfall von den Gerichten übertragen werden.
Anbahnung und Vorbereitung der Termine
Gestaltung der Modalitäten Fortlaufende Koordinierung
Vermittlung zwischen den Eltern Deeskalation des Elternkonflikts
Durchsetzung der getroffenen Umgangsregelung
Coaching (in Grenzen) des umgangsberechtigten Elternteils Begleitung der Übergabe, u. U. einzelner Termine zeitweilig auch „Pufferfunktion” zwischen Eltern, die -zunächst- Abstand benötigen
Ob einzelne Aufgaben, wie die Vermittlung zwischen den Eltern oder Deeskalation des Elternkonflikts, tatsächlich Aufgabe der Umgangspflege sind, wird man sicherlich bezweifeln können. Allerdings hat es der Umgangspfleger nach den hiesigen Erfahrungen sehr häufig mit Eltern zu tun, die sich weigern, Beratung in Anspruch zu nehmen und vor dem Hintergrund der oben genannten Qualifikation der angeschlossenen Umgangspfleger, kann diese „ambulante“ Form der Beratung durchaus erfolgreich sein. Auch das Coaching des Umgang suchenden Elternteils hat zweifellos Grenzen. Solange es sich z. B. um Hinweise auf alters- und entwicklungsangemessene Aktivitäten mit dem Kind an einen Vater handelt, der unsicher ist, weil er sein Kind lange nicht gesehen oder keine Alltagserfahrung mit dem Kind hat, ist das sicherlich durchaus im Rahmen. Wenn es allerdings um das oben genannte wiederholte unangemessene Verhalten des Elternteils geht, ist dieser sicherlich überschritten und eine schnelle Rückmeldung an das Gericht mit dem Ziel einer Überprüfung gem. § 1696 BGB angezeigt.

3. Ziel der Umgangspflegschaft
Ziel jeder Umgangspflegschaft ist es, die beteiligten Erwachsenen (wieder) in die Lage zu versetzen, den Umgang selbständig und zum Wohl des Kindes zu regeln. In vielen Fällen wird echte Einvernehmlichkeit nicht herzustellen sein. Allerdings kann eine Entlastung der Kinder auch möglich sein, wenn es gelingt „friedliche Koexistenz“ der Eltern zu erreichen, d.h. parallele Elternschaft mit einem Mindestmaß an Bindungstoleranz.

Die Umgangspflegschaft hat ferner das Ziel, den Umgang (wieder) als etwas Normales, Selbstverständliches in den Alltag der Beteiligten zu implementieren. Nicht zuletzt sollte die Umgangspflege dazu beitragen, dass der Umgang für die Kinder förderlich ist im Sinne ihrer Entwicklungsbedürfnisse aber auch attraktiv hinsichtlich der gemeinsamen Aktivitäten des Kindes mit dem Umgangsberechtigten. Daneben kann der Umgangspfleger die Kinder ggf. insofern entlasten, als die Kinder sich nicht mehr gegen den betreuenden Elternteil stellen müssen, wenn sie gern Umgang mit dem anderen Elternteil wünschen, der betreuende Elternteil jedoch nicht. Sie können sich dann auf den Umgangspfleger berufen, der ja die Umgangstermine festgesetzt hat und der Auseinandersetzung mit dem betreuenden Elternteil viel eher gewachsen ist, als das Kind. Diese Möglichkeit wird nach Aussage der Umgangspfleger in der Koordinierungsstelle von den Kindern durchaus erkannt und genutzt. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die für den begleiteten Umgang definierten Ziele.

4. Standards
4.1. Fachliche und persönliche Qualifikation
Grundsätzlich kommen als Ergänzungspfleger Personen in Betracht, zu der das Kind Bindungen und damit Vertrauen hat, sowie Personen aus dem Beratungs- sowie Jugendamtsbereich (§ 1915 Abs.1 i. V. m. § 1779 Abs. 2 BGB bzw. § 1791b BGB). Hinter dieser Regelung dürften allerdings eher Kostenerwägungen stehen, als die Sorge um die notwendige Qualifizierung, die auch oft in der Abt. Amtsvormundschaften/ Amtspflegschaften nicht verfügbar ist, ganz abgesehen von den zeitlichen Ressourcen, welche diese intensive Arbeit erfordert. Personen aus dem familiären Umfeld dürften meist schon deshalb ungeeignet sein, weil sie bei Konflikten in diese verstrickt sein oder werden können. Allerdings kommen qualifizierte und erfahrene Verfahrenbeistände als Umgangspfleger in Betracht. Sie haben eine juristische, pädagogische oder psychosoziale Ausbildung sowie einschlägige Berufserfahrung. Hinzu kommt eine qualifizierte Weiterbildung zum Verfahrensbeistand, in welcher insbesondere auch Umgangsstreitigkeiten behandelt werden. Neuerdings beinhalten die Weiterbildungen auch das Thema -Umgangspflegschaft-.

4.2 Leistungsspektrum im Rahmen der Koordinierungsstelle
Der Koordinierungsstelle für Verfahrenspflegschaften sind aktuell 120 Verfahrensbeistände angeschlossen. Alle erfüllen die oben genannten Voraussetzungen und sind in Arbeitsgemeinschaften zwecks kollegialer Beratung organisiert. Zeichnen sich Schwierigkeiten in einem Verfahren ab, steht zeitnah Supervision zur Verfügung. Ferner bietet die Koordinierungsstelle fachspezifische praxisbegleitende Fortbildungen an. Etwa die Hälfte der vorgenannten Verfahrensbeistände ist bereit und in der Lage auch Umgangspflegschaften zu übernehmen, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, einige schwerpunktmäßig andere nur hin und wieder abhängig vom Einzelfall. Hinsichtlich der persönlichen und fachlichen Qualifikationen ist der Pool ebenso heterogen wie hinsichtlich der Verfahrenspflege. Neben der oben genannten Grundqualifikation sind einige Verfahrensbeistände ausgebildete Familien- oder Kinder- und Jugendtherapeuten, andere verfügen über eine Mediationsausbildung.

Die Tätigkeit als Umgangspfleger ist individuell haftpflicht- und unfallversichert.
Die Arbeitsweise der einzelnen Umgangspfleger unterscheidet sich hinsichtlich der äußeren Gegebenheiten, sodass im Wesentlichen zwei Varianten je nach den Anforderungen des Einzelfalls möglich sind:
a) Der Umgangspfleger verfügt über geeignete Räume (Praxis/Kanzlei) in welchen er die Gespräche führt.
b) Er macht Hausbesuche, was den Kindern den Vorteil der vertrauten Umgebung verschafft, oder trifft die Beteiligten am Ort ihrer Wahl bzw. an einem neutralen Ort.
Die Umgangspflegschaft kann auch die Begleitung des Kindes von einem Elternteil zum anderen bzw. sonstigen Umgangsberechtigten und zurück (Übergabe) beinhalten.
Auch die anfängliche oder sporadische Anwesenheit bei Umgangsterminen zum Zweck der Verhaltensbeobachtung bzw. zur Überprüfung der Umgangsregelung ist bei Bedarf obligatorisch, sollte im Regelfall aber 3 Termine nicht überschreiten. Der Umgangspfleger ist für die Kinder in der Regel jederzeit erreichbar.

4.3 Die Arbeitsweise
Vor Übernahme einer Umgangspflegschaft sollte feststehen, dass hinreichend zeitliche Ressourcen u. U. auch langfristig zur Verfügung stehen, sodass ein Wechsel in der Person des Umgangspflegers im Interesse der Kinder vermieden werden kann. Die der Koordinierungsstelle angeschlossenen Umgangspfleger sind berechtigt und verpflichtet, eine angetragene Pflegschaft abzulehnen, wenn sie diese nach ihrer Einschätzung quantitativ oder qualitativ überfordert. Verfahrenspflegschaft und Umgangspflegschaft in Personalunion sind wegen der Gefahr der Rollenkonfusion zu vermeiden.
Nach Kenntnis der Personen und Umstände sollte sich der Umgangspfleger bei hoch eskalierten Elternkonflikten die nachfolgenden Fragen vorlegen, die hier Bedingung für ein erfolgreiches Arbeiten sind:
a) Habe ich eine Chance, eine Vertrauensbasis zum Kind herzustellen, damit es mit mir zusammen Lösungsvorschläge für eine behutsame Annäherung an den umgangsberechtigten Elternteil erarbeiten kann, ohne seine Beziehung zum anderen Elternteil zu gefährden?
b) Gelingt mir der Aufbau einer Vertrauensbasis zum betreuenden Elternteil, ohne dessen Mitwirkung oder zumindest Duldung keine dauerhafte Lösung erreicht werden kann?
c) Kann ich beim umgangsberechtigten Elternteil Verständnis für die Lage des Kindes wecken und ihn für einen abgestimmten Stufenplan gewinnen? Hinsichtlich der Arbeitsweise ist die Umgangspflegschaft in Abgrenzung zur Begleitung als Umgangsmanagement anzusehen.
In erster Linie beinhaltet erstere Gespräche mit den Eltern, bei welchen meist die Ursachen für die Schwierigkeiten zu suchen sind. Selbstverständlich spricht der Umgangspfleger auch mit dem Kind über seine Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich des Umgangs oder seine Gründe im Fall der Weigerung.

Verweigert das Kind den Umgang ist zu genau zu prüfen:
- ob Ursachen eigene negative Erfahrungen des Kindes mit dem Umgang begehrenden Elternteil sind,
- der betreuende Elternteil bewusst oder unbewusst entsprechend beeinflusst,
- der umgangsberechtigte Elternteil nicht über die erforderlichen sozialen Kompetenzen verfügt,
- oder jahrelange Auseinandersetzungen und fehlgeschlagene Vermittlungsversuche das Kind dermaßen zermürbt haben, dass es in der Umgangsverweigerung den einzigen Ausweg aus dem Dauerstress sieht.

Im ersten Fall käme es auf die Art und Umfang der negativen Erfahrung an. Bei Gewalterfahrung wäre entsprechend der Empfehlungen wohl eher an einen Umgangsausschluss zu denken, um retraumatisierende Erfahrungen auszuschließen. Im Fall weniger schwer wiegender negativer Erfahrungen stellt sich die Frage, ob das Kind bereit und in der Lage ist, dem umgangsberechtigten Elternteil die Chance zu geben, ihm andere Erfahrungen zu vermitteln. Der betreffende Elternteil sollte zugleich in der Lage sein, die Chance zu nutzen.
Zur Beeinflussung durch den betreuenden Elternteil ist viel geschrieben worden unter dem Stichwort „PAS“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass neben gezielter Beeinflussung solche durchaus auch unbewusst erfolgt. Kinder übernehmen regelmäßig Haltungen von den Eltern und Eltern beeinflussen Kinder immer im Rahmen von Erziehung. Die negative Haltung des betreuenden Elternteils gegenüber dem anderen nimmt ein Kind auch dann wahr, wenn sie nicht offen geäußert wird. Daher sollte hier in erster Linie im Rahmen einer qualifizierten Beratung am Grundkonflikt der Eltern gearbeitet werden.

Fehlt es am adäquaten Verhalten des umgangsberechtigten Elternteils, weil er den Alltagskontakt zum Kind nicht hat und daher wenig über das Kind weiß, nicht die notwendige Feinfühligkeit aufbringt oder generell im Umgang mit Kindern unerfahren ist, stellt sich die Frage, ob hier bei Bestehen entsprechender Lernfähig- und -willigkeit des betreffenden Elternteils eine qualifizierte Begleitung durch Training/Coaching Besserung bringen kann. Was oben zur Bereitschaft des Kindes, einen erneuten Versuch zu wagen, gesagt wurde, gilt auch hier.
Im letzten Fall dürfte der Umgang für das Kind unzumutbar sein, solange es die Eltern nicht geschafft haben, das Konfliktniveau zu senken. In diesem Fall verbietet sich jeder Druck in Richtung Umgang auf das Kind, welches durch die Umgangsverweigerung versucht, den Konflikten zwischen den Eltern zu entfliehen.

Es kann als erwiesen angesehen werden, dass Kinder, durch den Dauerstress elterlicher Konflikte mehr Schaden nehmen als durch einen Kontaktabbruch. Wohl aber sollte den Eltern dringend zu Beratung und ggf. Therapie geraten werden. Der Umgangspfleger meldet in diesen Fällen an das Gericht zurück, dass die Nachteile des Umgangs für das Kind die Vorteile überwiegen, weshalb vorläufig kein Umgang stattfinden kann und legt die Gründe dar. In allen anderen Fällen, in welchen nur eine Rahmenregelung vorliegt, versucht der Umgangspfleger mit den Eltern im Verhandlungswege einen konkreten Modus zu finden, der vor allem im Interesse des Kindes ist, aber auch den familiären und beruflichen Umständen der Eltern Rechnung trägt. Ist die gerichtliche Regelung oder die Vereinbarung der Eltern hinreichend konkret, wird diese quasi als Arbeitshypothese umgesetzt und zugleich überprüft. Stellt sich heraus, dass zunächst oder generell eine andere Regelung als die getroffene notwendig ist, regt der Umgangspfleger eine Abänderung beim Familiengericht an. Sobald er sich einen entsprechenden Eindruck verschafft hat, gibt er schriftlich Rückmeldung an das Gericht, ob die Umgangspflegschaft in dem betreffenden Fall das richtige Instrument ist bzw. ob nach seiner Einschätzung eine Chance besteht, dass es zu einem regelmäßigen Umgang zum Wohl des Kindes kommen wird.
Zwangsmaßnahmen

Der Umgangspfleger hat zwar das Recht, das Kind vom betreuenden Elternteil heraus zu fordern. Auch übt er während der Umgangszeit das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus, Zwangsmittel stehen ihm jedoch nicht zur Verfügung.

Nur das Gericht kann eine Verfügung gem. § 90 FamFG erlassen, mit welcher die Zwangsmittel: Zwangsgeld oder Anwendung unmittelbaren Zwangs (Gewalt), angeordnet werden.
Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen das Kind ist jedoch ausgeschlossen. Aber auch hinsichtlich des unmittelbaren Zwangs gegen den betreuenden Elternteil stellt sich die Frage, ob hier nicht dasselbe gilt, wie bei miterlebter Gewalt zwischen den Eltern, die mittelbar auch das Kind trifft.
Vor dem Hintergrund, dass das Kind in der Regel den betreuenden Elternteil liebt, gerät es in dieser Situation in einen unlösbaren Konflikt: Nimmt es den Umgang war, leidet der betreuende Elternteil, nimmt es ihn nicht wahr, leidet er auch. Daher kann die Anwendung von Gewalt wohl kaum einen Umgang zum Wohl des Kindes einleiten mit der einzigen seltenen Ausnahme, dass das Kind den Umgang und die Durchsetzung möchte.

5. Organisatorischer Ablauf
5.1 Vermittlung / Bestellung
Die Anordnung einer Umgangspflegschaft sollte möglichst frühzeitig erfolgen, d.h. sobald das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen erkennbar ist, ungeachtet des Umstands, ob die Eltern in einer Therapie oder Beratung sind, ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll oder Hilfen zur Erziehung gewährt werden. Die einzelnen Maßnahmen sind nicht alternativ zu sehen, sondern haben insbesondere in schwierigen hoch eskalierten Fällen nur kumulativ Erfolgschancen. Wird eine Umgangspflegschaft erst nach oder wegen einer gescheiterten Beratung der Eltern angeordnet, hat sie weniger Aussicht auf Erfolg, als wenn mehre professionelle Stellen von verschiedenen Seiten kooperativ in dieselbe Richtung arbeiten. Der Kontakt zu einem geeigneten Umgangspfleger kann direkt oder über die Vermittlung der Koordinierungsstelle erfolgen.
Im Fall, dass Übergaben oder die Begleitung der ersten (drei) Umgänge erwünscht sind, sollte dies in den Bestellungsbeschluss aufgenommen werden zum Zweck der Vermeidung des Vergütungsrisikos für die Umgangspfleger.

5.2 Beendigung der Umgangspflegschaft Die Umgangspflegschaft endet durch Ablauf der gesetzten Frist oder vorzeitig durch Entpflichtung, wenn erkennbar wird, dass diese im jeweiligen Fall keine Erfolgchancen hat.

6. Vergütung
Die Vergütung und der Aufwendungsersatz erfolgt nach den Vorschriften über die Pflegschaft bzw. Vormundschaft § 277 FamFG i.V.m. §§ 1835 Abs.1, 2, 1836 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes, sofern die Pflegschaft berufsmäßig geführt wird. Das trifft auf die der Koordinierungsstelle angeschlossenen Umgangspfleger regelmäßig zu, da eine einschlägige Berufsausbildung und -erfahrung sowie eine spezielle Weiterbildung vorausgesetzt wird. Gem. § 277 Abs. V FamFG sind der Aufwendungsersatz und die Vergütung stets aus der Gerichtskasse zu zahlen. 

7. Umgangspflegschaft in Verbindung mit Umgangsbegleitung
7.1 Voraussetzungen
Auch nach derzeitiger Praxis wird dem Umgangspfleger in Absprache mit diesem bisweilen zusätzlich die Begleitung des Umgangs übertragen. Das scheint in Anlehnung an die oben genannten Fragen, die sich der Umgangspfleger zu Anfang seiner Tätigkeit vorzulegen hat, dann sinnvoll wenn Umgangsbegleitung i.S.v. § 1684 Abs. 4 BGB erforderlich ist der Umgangspfleger das Vertrauen des Kindes hat der Umgangspfleger das Vertrauen beider Eltern hat Kontinuitätsgesichtspunkte dafür sprechen Grundsätzlich spricht für die Umgangsbegleitung durch den Umgangspfleger: dass die Beteiligten insbesondere das Kind nicht mit einer weiteren Person konfrontiert werden dass der Umgangspfleger eine rechtlich stärkere Position hat als eine reine Umgangsbegleitung (das Aufenthaltsbestimmungsrecht während der Umgangszeit) dass der Umgang auch flexibel begleitet werden kann, so dass Unternehmungen möglich sind dass der Umgang in der Muttersprache von Eltern und Kind begleitet werden kann (auch wenn diese nicht Deutsch ist)

7.2 Qualitätsstandards/Leistungsspektrum der Koordinierungsstelle
In der Umgangsbegleitung verpflichten sich die der Koordinierungsstelle angeschlossenen Umgangspfleger zur Einhaltung der Deutschen Standards. Hinsichtlich der Art der Ausübung stehen auch hier die oben genannten Möglichkeiten, auch an Wochenenden, zur Wahl: „stationäre“ Begleitung in der eigenen Praxis in kindgerechten Räumen oder ambulante Begleitung bei Aktivitäten, die sich das Kind wünscht Begleitung im Herrschaftsbereich der umgangsberechtigten Bezugsperson (Hausbesuch) Mischformen sind möglich und an den Bedürfnissen des Kindes orientiert, an dem Ziel, dem Kind ganz normale alterstypische Aktivitäten und Erfahrungen mit der Bezugsperson trotz der Begleitung zu ermöglichen. Wie die Anforderungen im konkreten Fall aussehen, sollte bei der Anfrage in der Koordinierungsstelle mitgeteilt werden. Insbesondere im ersten Fall, der „stationären Begleitung“, muss geklärt werden, ob entsprechende Räume vorhanden sind, über die nicht alle angeschlossenen Umgangspfleger verfügen.

7.3 Kooperationsmöglichkeit
Die Umgangsbegleitung durch den Umgangspfleger spielt sich in einem Bereich zwischen Jugendhilfe und Justiz ab. Während die Bestellung des Ergänzungspflegers in der Zuständigkeit des Familiengerichts liegt, ist die Umgangsbegleitung Aufgabe der Jugendhilfe gem. § 18 SGB VIII. In der tatsächlichen Ausübung, insbesondere aus der Sicht der Kinder, besteht jedoch ein so enger Zusammenhang, dass unter vorgenannten Voraussetzungen die Personalunion von Umgangspflege und Begleitung vorteilhaft sein kann. Hier ist jedoch die enge Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Koordinierungsstelle und Gericht erforderlich. Denkbar wäre ein Abstimmungsverfahren in welchem sich die beteiligten Institutionen (und Kostenträger) vor Einrichtung der Umgangspflegschaft über Dauer und Umfang der Leistungen verständigten. Das Gericht müsste somit eine Kostenzusage einholen, bevor dem Umgangspfleger der zusätzliche Auftrag zur Umgangsbegleitung erteilt wird. 

7.4 Vergütung Der Umgangspfleger rechnet die Umgangspflegschaft wie oben dargelegt inkl. der drei Beobachtungen gegenüber der Gerichtskasse ab. Die darüber hinausgehende Umgangsbegleitung in dem im Einzelfall vereinbarten Rahmen sollte von Seiten der Jugendhilfe vergütet werden. Voraussetzung wäre dann allerdings ein entsprechender Antrag der Eltern auf Jugendhilfeleistung gem. §18 Abs. 3 SGB VIII. München, den 23.01.2010


Quelle: Birgit Büchner Ass. jur Dipl. Soz.Päd. Koordinierungsstelle für Verfahrenspflegschaften


Freitag, 6. Januar 2017

Das ist wichtig bei drohender Inobhutnahme zu wissen

Betroffene Eltern können die Aussetzung des Verfahrens beantragen, damit das Kind nicht unnötig oft den Wohnort wechseln muss.
Das sollten Eltern ihrem Anwalt zeigen, damit er die nötigen Schritte sofort einleitet.
Einmal in Obhut, bekommt man sein Kind nur schwer wieder zurück.
BVerfG, Beschluss vom 19.01.2010 – 1 BvR 1941/09 = BeckRS 2010, 46097
Richter am OLG a.D. Dr. Hans van Els, Solingen
Aussetzung der Vollstreckung in Kindschaftssachen
GG Art. 6 II
BGB §§ 1666, 1666a
FGG § 24 III

Droht dem Kind durch Entziehung elterlicher Sorge sowie sofortigem Vollzug ein Wechsel
von Aufenthalt und Bezugspersonen, liegt es nahe, das Verfahren auszusetzen. (Leitsatz
des Verfassers)
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung des Aussetzungsantrags, also den
Beschluss vom 17.07.2009. Die 2. Kammer des 1. Senats hat der Verfassungsbeschwerde
stattgegeben

Entscheidung
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Durch Ablehnung des Aussetzungsantrags würden die
Elternrechte der Beschwerdeführerin nach Art. 6 II 1 GG verletzt. Ein solcher Antrag setze zweierlei
voraus:
Es drohen irreparable Nachteile von erheblichem Gewicht.
Das Rechtsmittel hat Aussicht auf Erfolg. Beide Voraussetzungen seien hier gegeben. Soweit das OLG die Aussicht auf Erfolg verneint hat, spricht das BVerfG zahlreiche Beanstandungen aus, wobei es – bei Entziehung elterlicher Sorge – über den üblichen Prüfungsumfang deutlich und bewusst hinausgeht
es sei nicht nachzuvollziehen, warum bei A und B, nicht aber bei J die elterliche Sorge
entzogen worden sei; das AG habe nicht hinreichend erörtert, ob die Herausnahme der Jungen aus dem mütterlichen Haushalt durch Intensivierung der ambulanten Hilfsmaßnahmen abgewendet werden könne; bei dem offenen Ausgang des Beschwerdeverfahrens sei nicht hinreichend bedacht worden,
wieweit A und B möglicherweise nur vorübergehend untergebracht würden und dann zweimal ihr
soziales Umfeld und ihre Bezugspersonen wechseln müssten. 

Praxishinweis
Der Beschluss reiht sich ein in die zahlreichen und im Beschluss mehrfach zitierten Entscheidungen
des BVerfG zur elterlichen Sorge, insbesondere ihrer Entziehung. Die hier veröffentlichte
Entscheidung befasst sich speziell und eingehend mit der Aussetzung der Vollstreckung nach dem für
den Beschluss noch geltenden § 24 III FGG, der jetzt durch den inhaltsgleichen § 64 III FamFG
ersetzt worden ist. Eine Aussetzung sowie der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommen bei
Kindschaftssachen insbesondere in Betracht, wenn die mit der Beschwerde angegriffene
Entscheidung einen Wechsel des Aufenthalts und der Beziehungspersonen vorsieht und daher bei
sofortiger Vollziehung der Entscheidung und einem Erfolg der Beschwerde ein für das Kind schädlicher
Beziehungswechsel droht (Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 2009, § 64 Rdnr. 5).

Auf diese Gefahr weist das BVerfG zu Recht hin. Wenngleich das Gericht von Amts wegen aussetzen
kann, sollte das Antragsrecht hierzu häufiger praktiziert werden. Der Aussetzungsbeschluss, auch
die Ablehnung eines Aussetzungsantrags, ist zwar nicht anfechtbar (Keidel/Sternal, FamFG, 16.
Aufl., § 64 Rdnr. 59). Das Gericht kann seinen Beschluss von Amts wegen wie auf Gegenvorstellung
hin aber jederzeit abändern (Keidel/Sternal, § 64 Rdnr. 71). Auch die Hürden einer
Verfassungsbeschwerde liegen nicht allzu hoch, wenn durch vollständige oder teilweise Entziehung
der elterlichen Sorge ein dem Kind schädlicher Bezugswechsel droht.

Quelle: FamFR 2010, 140 - beck-online