Dienstag, 7. Juli 2015

Mit Halbdampf einen Schritt zur Seite - statt mit Volldampf voraus!

Der Bundestag beriet und beschloss am Donnerstag vergangener Woche über einen Antrag von Union und SPD. Es geht um die Gründung einer unabhängigen Kommission, die den Kindesmissbrauch in Deutschland umfassender als bisher untersuchen soll; und zwar nicht nur in Heimen und sonstigen Institutionen, so wie im nahen und weiten Umfeld der Familie.
Dies war einem Artikel der FAZ von Johannes Leithäuser zu entnehmen "Irisches Modell - Wie Kindesmissbrauch aufgeklärt werden soll".
Ginge es nach dem Wunsch des Unabhängigen Beauftragten Rörig, so solle diese Kommission den klaren Charakter eines Untersuchungsausschusses inne haben, der mit allen Rechten und Befugnissen ausgestattet ist, die einen umfassenden Erfolg eines solchen Vorhabens auch möglich machen.
Wie so oft bei diesem heiklen Thema muss man aktuell leider feststellen, dass die Sache eher halbherzig angegangen wurde, denn wer aufklären soll, benötigt neben diesen Befugnisse auch Geld, das sicher zur Verfügung steht.
An beidem mangelt es offensichtlich noch erheblich, und so kritisieren Grüne und Linke, dass keine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, die beides sicherstellt; eine eigene Finanzierungsgrundlage und entsprechende Zugriffsrechte auf Material, das ggf. eingesehen werden muss. Geschieht das nicht, kann man sich heute schon lebhaft vorstellen, wie mühsam z. B. um Akteneinsicht bei einem Jugendamt gerungen werden muss.
Das Bundesfamilienministerium habe zwar eine finanzielle Beteiligung zugesagt, aber das sei kein klares Signal für und an Deutschland, dass hier von dauerhaftem Interesse an einer wirklichen Aufklärung gesprochen werden könne - so Rörig.
Ich finde diese Halbherzigkeit völlig unverständlich und auch peinlich für Deutschland. Nicht nur, dass hierzulande um "Anerkennung von Leid" gerungen werden muss, es scheint den Verantwortlichen auch nicht vollumfänglich klar zu sein, dass wir es hier mit einer gesellschaftlichen Aufgabe und einem gesellschaftlichen Langzeitschaden zutun haben. Denn es ist in der Regel mitnichten so, dass die Betroffenen je wieder ganz gesunden können - im Gegenteil.
Dass es auch anders gehen kann, sehen wir an einer bereits seit vielen Jahren existierenden Aufarbeitungskommission in Irland. Wobei auch hier nicht verschwiegen werden darf, dass der Kindesmissbrauch - insbesondere in der katholischen Kirche - über Jahrzehnte unter der Kutte gehalten wurde. Aber genau das konnte diese Kommission eben zutage fördern. 10.000de von Missbrauchsverbrechen sind von dem dortigen Tribunal systematisch aufgeklärt worden.
In jahrelangen Ermittlungen wurden 1000ende von Zeugen/Zeitzeugen gehört - d.h., man hat sich nicht gescheut, bis zur Nachkriegszeit zurück zu recherchieren. Diese Arbeit diente nicht nur der Aufklärung, sondern förderte auch eine ungeheuerliche Dimension dieses Verbrechens zutage, so dass Präventionsarbeit darauf heute zielgerichteter aufsatteln kann.
Aber die Iren gingen noch wesentlich weiter. Dort gibt es einen Entschädigungsrat, der bereits über 1 Milliarde an Geldern an Betroffene ausgezahlt hat. Diese Summe macht die Dimension des Verbrechens an Kindern noch einmal mehr deutlich. Organisationen, die Täter beheimatet haben, zahlten und zahlen in diesen Fond ein, womit Betroffenen weitaus zügiger geholfen werden kann. Und sowohl ihnen, als auch den betroffenen Institutionen bleiben mühsame Einzelentschädigungsklagen erspart. (Wobei hier nicht die strafrechtliche Verfolgung gemeint ist).
Auch dieses System ist keinesfalls freizustellen von Kritik - schaut man sich die überaus derbe Vergangenheit samt der jahrzehntelangen Verleugnungspraxis an!
Aber man muss sagen, dass eine Aufarbeitung, die solche Ergebnisse vorzuweisen hat, nunmal glaubhaft macht, dass das Thema eines ist.
Ich glaube es wird nicht nur Zeit, sondern ist mehr als überfällig, dass das "Vorzeigeland" Deutschland sich seiner Fürsorgepflicht in diesem Bereich endlich stellt, statt einen weiteren Versuchsballon wie den "runden Tisch" zu starten, der die Gründung vieler wehrhafter "eckiger Tische" nach sich zog.
Das Monster Kindesmissbrauch, dem lt. WHO ca. 18 Mio. Kinder in Europa begegnen müssen, muss zur Strecke gebracht werden. Und es muss Schluss sein mit dem seichten Gefasel von ein bisschen mehr Anerkennung für erlittenes Unrecht.
Wer so argumentiert, muss sich nicht wundern, wenn er die Bevölkerung nicht mobilisieren kann, Kinder aktiv mit zu schützen.
Und erst Recht darf es nicht so bleiben, dass Betroffene sich fortgesetzt einer Scham und einem diffusen Makel ausgesetzt sehen, wenn sie sich als "betroffen" zu erkennen geben. Dass so viele Menschen mit dem Gefühl unter uns leben, lieber schweigen zu wollen / oder zu sollen / oder gar zu müssen, weil der Boden nicht bereitet ist, dafür sollte  Deutschland sich schämen!

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