Samstag, 11. Juli 2015

Wann hat ein Befangenheitsantrag Aussicht auf Erfolg?

Verdacht der Befangenheit wegen richterlichem (Fehl-) Verhalten
Wenn der Richter einseitig oder krass fehlerhaft agiert oder zu einem Beteiligten grob unhöflich wird, kommt bei der benachteiligten oder sich benachteiligt fühlenden Seite und deren Rechtsvertreter schnell der Wunsch auf, ihn loszuwerden.
   
„Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten.
Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt“, so das Bundesverfassungsgericht  in einem kürzlich ergangenen Beschluss (v. 25.7.2012, 2 BvR 615/11).
Wichtig: Eine Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. „Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der „böse Schein“, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität.
Entscheidend sei, „ob das beanstandete Verhalten für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln“.
Tendenziöses Verhalten des Richters 
Von einem zu einseitigen Verhalten ging das BVerfG  bei einem richterlichen Verhalten aus, das die Zivilrechtsinstanzen noch für zulässig erachteten.

Beispiel: Ein Richter hatte einem auf Zahlung des Anwaltshonorars verklagten Ex-Mandanten damit gedroht, die Akte an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Der Beklagte hatte sich - ähnlich wie in einem Parallelverfahren gegen ein Arzthonorar – u.a. darauf berufen, der Anwalt habe nicht ordnungsgemäß abgerechnet, sich weisungswidrig verhalten, einen zu hohen Gegenstandswert sowie einen zu hohen Gebührensatz angesetzt. Der Richter sah wohl schon in dieser Parallelität einen Hinweis auf strafbares Verhalten und drohte mit dem Staatsanwalt. Das machte ihn nach Ansicht des BVerfG befangen, da dieser Verdacht nicht hinlänglich begründet war.
Der bloße Verweis auf die Lektüre der Akten, die den Verdacht nahelege, der Beschwerdeführer nehme entgeltliche Dienste Dritter in Anspruch, ohne diese bezahlen zu wollen, war jedenfalls unter den gegebenen Umständen laut BVerfG offensichtlich unzureichend. „Weshalb allein der Umstand, dass ein Verfahrensbeteiligter in mehr als einem Fall einer von Dritten wegen erbrachter Leistungen gegen ihn erhobenen Forderung entgegentritt, einen Straftatverdacht begründen soll, der eine richterliche Pflicht zu entsprechendem Hinweis auslösen und es damit zugleich rechtfertigen könnte, Strafanzeige gegen den Verfahrensbeteiligten zu erstatten oder ihm dies in Aussicht zu stellen“, erschließt sich – so das Gericht -  einmal ansatzweise.
Wann der Richter zu heftig wird
Manchmal sind auch Äußerungen der Richter  während oder abseits mündlicher Verhandlungen Anlass für Befangenheitsanträge. In einem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall (Beschluss v. 29.3.2012, 14 W 2/12)  hatte der Richter dem Anwalt des Gesellschafter-Geschäftsführers gesagt, sein Mandant „dürfe den Schwanz vor dem Rechtsstreit nicht einziehen“. Der Richter war enttäuscht darüber, dass wegen des Fernbleibens des Mandanten eine Lösung des Streits unter den Gesellschaftern nicht möglich war. Der Anwalt stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag. Die Äußerung dürfe nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr komme es auf den Zusammenhang an, in dem sie gefallen sei. Vorliegend habe die beklagte Partei von ihrem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben die Äußerung des Richters nicht dahin verstehen dürfen, dass dieser ihr gegenüber negativ eingestellt oder gar zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen nicht gewillt gewesen wäre.
Nicht immer fassen Richter bei ihrem oft nervenaufreibenden Bemühen um Rechtsfrieden ihre „Kundschaft“ mit Glacéhandschuhen an. Das wird auch nicht wirklich erwartet und wäre manchmal sogar kontraproduktiv. Doch eine Minimalausstattung in Sachen Etikette dürfen auch Kläger, Beklagte und Angeklagte erwarten. 

In folgenden Fällen wurde dies nach Ansicht anderer Richter nicht eingehalten und die Gerichte kamen aufgrund der Äußerungen von Richtern zu dem Ergebnis einer möglichen Befangenheit:
„Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben sie auf allem sitzen“ (BGH, Urteil v.  21.12.2006, IX ZB 60/06).
„Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit solchen Kinkerlitzchen aufzuhalten“ (OLG Hamburg, Beschluss v. 23.3.1992,  7 W 10/92).
„Jetzt reicht es mir! Halten Sie endlich den Mund! Jetzt rede ich!“ (OLG Brandenburg, 15.9.1999,  1 W 14/99).
Bezeichnung des Sachvortrags einer Partei als „Unsinn“. LSG Nordrhein-Westfalen,  Beschluss v. 16.6.2003, 11 AR 49/03).

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